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Gespräche



 05.08.2013 - Das Gespräch mit Tanja Kinkel 



Tanja Kinkel

Tanja Kinkel ist Autorin zahlreicher historischer Romane, Geschichten und Gedichte. Sie ist im PEN Zentrum und Verband junger Autoren (BVjA) und Tanja Kinkel ist auch Gründungsmitglied der Internationalen Feuchtwanger Gesellschaft in Los Angeles. Vor 10 Jahren war sie dabei, um sich für das Bücherbegehren einzusetzen, als in München die Schließung einer größeren Anzahl von Stadtteilbibliotheken drohte.

Frau Kinkel, was hat Sie veranlasst, sich damals vor 10 Jahren für die Erhaltung der Stadtbibliotheken einzusetzen?
Also, die Stadtbibliotheken sind ungeheuer wichtig für mich als Leserin wie auch als Autorin. Wenige Leute, die mit Begeisterung lesen, sind in der Lage, auch jedes Buch zu kaufen, das sie interessiert. Bibliotheken waren für mich als Kind und als Mädchen eine wunderbare Möglichkeit, um eine Menge Bücher kennen zu lernen. Dann, als ich angefangen habe, selbst zu schreiben, habe ich sie noch zusätzlich als Recherchemöglichkeit schätzen gelernt, und ich benutze sie auch heute noch. Es ist für mich eine große Hilfe, den Zugang zu den Bibliotheken zu haben, Bücher auszuleihen. Natürlich kaufe ich mir auch Bücher, doch es ist schlichtweg unmöglich, sich alle Bücher zuzulegen, egal welches Thema. Und es ist eine wunderbare Recherchemöglichkeit. Bibliotheken sind für mich die erste Anlaufstelle für meine Arbeiten, noch vor den Reisen zu Schauplätzen schaue ich mich dort um, was es zu meinen Themen gibt. Und da ich das so nutze, ist es für mich selbstverständlich, wenn den Bibliotheken Gefahr droht, auch das Meine zu tun, um sie zu unterstützen.

Mit welchen Beiträgen haben Sie damals das Bücherbegehren unterstützt?
Ich habe aus meinem damaligen neuen Titel „Götterdämmerung“ vorgelesen. Ein Polit-Wissenschafts und Wirtschafts-Roman. Der 11. September 2001 war erst ein paar Jahre her, alles stand noch unter Schock.

Wie empfinden Sie die Münchner Stadtbibliotheken heute?
Sie sind nicht weg zu denken, und als Autorin bin ich sehr dankbar und erfreut überrascht, wenn man am Abend an der Stadtteilbibliothek vorbeigeht und im Schaufenster ein Buch von mir als „Buch des Monats“ sieht.

Haben Sie eine Begebenheit, die Sie in besonderer Erinnerung behalten haben?
Ja, ich erinnere mich gerne zurück. Ziemlich am Anfang meiner Autorenlaufbahn bekam ich so langsam die ersten Interviews, und ich hatte mir einen Termin völlig falsch aufgeschrieben. Ich war im Gasteig, als auf einmal eine Durchsage kam: Frau Kinkel bitte zur Information. Es hatte sich herausgestellt, dass ein Journalist im Café an der Uni auf mich wartete, den Termin hatte ich aber für den nächsten Tag in meinem Kalender eingetragen. Puh, das Treffen hat dann doch noch stattgefunden.

Welche Bücher wurden Ihnen als Kind vorgelesen?
Meine Mutter hat mir einige Bücher von Ottfried Preußler vorgelesen, zum Beispiel „Der kleine Wassermann“. Ich hab’ dann auch ziemlich schnell das Lesen gelernt.

Wie war Ihr Weg zum Lesen?
Mein Großvater und mein Vater haben mir Geschichten aus Büchern erzählt, die mich sehr neugierig gemacht haben. Mein Großvater hat mir Karl May Geschichten erzählt. Winnetou war das erste Buch, das ich dann mit sechs Jahren selbst gelesen habe. Mein Vater wiederum hat mir auf Watt-Wanderungen ganze Romane erzählt, unter anderem “Vom Winde verweht“ von Margret Mitchell.

Sehr beeindruckend, das ist eine tolle Idee
Ja das war es, und danach ist man bestrebt, so wie ich als lesehungriges Kind, Bücher so schnell wie möglich selbst zu lesen. So bin ich zum Lesen gekommen.

Sie haben sehr früh den Jugendliteraturpreis erhalten. Haben Sie als Schülerin auch an einem der Vorlesewettbewerbe, die jährlich vom Börsenverein gestartet werden, teilgenommen?
Ich hatte einen Schulpreis erhalten und zwar als beste Leserin in Bamberg. Das war sehr nützlich für das spätere Leben.

Frau Kinkel, Sie schreiben beeindruckende historische Romane. Was interessiert sie mehr, die Historie zu beschreiben oder diese als Stoff zu nehmen, um aus ihr Romane zu machen?
Geschichte ist eine große Passion von mir, unabhängig davon, dass ich Romane schreibe. Ich habe Geschichtsgebiete, über die ich nicht geschrieben habe, die mich trotzdem sehr interessieren. Die Geschichte hat so eine Vielfalt an Stoffen und Historien zu bieten, dass ich immer wieder auf sie zurück kommen werde. Ich habe zwischendurch auch einen Gegenwartsroman und zwei Fantasy- Bücher geschrieben. Ich lege bei meinem Gang durch die Geschichte einen ziemlichen Zickzack Kurs vor, nicht linear und auch nicht immer in der selben Epoche, sondern immer etwas anders. Es ist sehr schön, als Autorin die Freiheit zu haben, sich jedes Mal etwas anderes vornehmen zu können. Das ist auch ein Reiz der Geschichte, nicht auf eine Epoche festgelegt zu sein. Man kann sich jedes Mal einer neuen Herausforderung stellen. Dann ist aber auch jede historische Epoche und jede Geschichte der Person, ob sie nun erfunden ist oder real existiert hat, gleichzeitig ein Kommentar auf die Gegenwart.

Wann haben Sie angefangen, historische Romane zu schreiben?
Meine erste Kurzgeschichte habe ich mit acht Jahren verfasst. Mit 13 Jahren versuchte ich, Romane zu schreiben, die aber mangels Ausdauer nur über zwei Schulhefte hinweg gingen. Der erste Roman war tatsächlich ein historischer Roman über Servilia Caepionis, die letzte Geliebte von Cäsar und die Mutter von Brutus. Mit 19 Jahren hatte ich das Glück, für meinen Roman über Bryon" Wahnsinn, der das Herz zerfrisst“ einen Verlag zu finden, der ihn veröffentlicht hat.

In Ihrem Buch "Die Puppenspieler" ist die Mutter von Richard, der Hauptfigur, eine sympathische und kluge Araberin, die am eigenen Leib den ganzen Irrsinn der Hexenverfolgung des Mittelalters erleiden muss. Was hat sie an dieser Geschichte interessiert?
Mich haben mehrere Aspekte der Renaissance fasziniert. Einerseits das kulturelle, der Aufbruch Europas usw., andererseits der Hexenwahn als Massenphänomen, der eben kein mittelalterliches Phänomen war, sondern erst mit der Renaissance losging, mit dem Beginn der Neuzeit. Das Aufeinanderprallen von all diesen verschiedenen Geschichtsströmungen durch eine einzelne Geschichte zu erzählen, war die Grundidee zu meinem Roman „Die Puppenspieler“. Da wollte ich die Ebenen miteinander verknüpfen: der Merkantilismus, die Macht und das Aufsteigen der Kaufmannsdynastien und die Explosion, die in der Kunst stattfand.

Was bewegt Sie so stark, dass Sie Schicksale und die dunklen Seiten des Mittelalters zum Leben bringen?
Es ist so bei jeder Epoche, dass mich die Mischung aus Fremdem und Vertrautem fasziniert. Jede Epoche hat Umstände, die für sie einzigartig sind, aber jede Epoche hat auch Parallelen zur Gegenwart. Quellen gibt es im Hexenhammer, ein Werk das leider zur Legitimation des Hexenwahns 1486 von Dominikanermönch Heinrich Kramer verfasst wurde, und die andere Auffassung 1632 von Friedrich von Spee, der große Kritik an Folter und Hexenverfolgung veröffentlichte.

Wie sehen Ihre Recherchen aus?
Wenn ich eine historische Person in den Mittelpunkt stelle, wie jetzt jüngst von mir in dem Buch „Verführung“ veröffentlichten Geschichte über Casanova und Angiola Calori, dann schaue ich, ob es Originalquellen von der betreffenden Person gibt, Tagebuchaufzeichnungen u.v.m. Dann sehe ich nach, wie die Bibliographielage ist, gibt es welche, gibt keine, und dann versuche ich, so viel wie möglich über die Epoche und über Persönlichkeiten in der entsprechenden Zeit, mit denen meine Romanfigur in Kontakt kommt, herauszufinden.

Wenn Sie so in der Geschichte leben, wenn Sie Hexenverfolgungen und weitere Scheußlichkeiten nachempfinden, wie finden Sie in den Alltag zurück?
Das ist nicht immer leicht, denn das Schreiben ist dann ein gefühlsintensiver Zustand, und es ist sehr schwer, sich auf etwas anderes zu konzentrieren. Wenn ich schreibe, ziehe ich mich immer zurück, gehe ungern ans Telefon, vernachlässige meine Post. Für mich sind die wahren Helden der Romane die Freunde und Familien der Autoren, weil sie während des Schreibens, und das ist eine lange Zeit des Jahres, vernachlässigt werden. Wenn dann aber die Zeit der Korrekturphase anfängt und jedes Wort überprüft wird, dann brauchen wir Autoren dringend Menschen, die uns die Hand halten, nett zu uns sind, und diese Wechselbehandlung tolerieren.

Sie waren eine Zeit lang in der Villa Aurora, die von Martha Feuchtwanger der University of Southern California als Künstler- und internationaler Begegnungsort überlassen wurde. Ist Ihnen dort Lion Feuchtwanger als Schriftsteller näher gekommen?

Die Alltagsdetails seines Lebens im kalifornischem Exil kann ich durch den Aufenthalt dort besser nachvollziehen. Ich hatte die Möglichkeit, in aller Ruhe die Manuskripte und Vorarbeiten durchzulesen, konnte sehen, wie so stückweise ein Roman entstanden ist, und das war für mich doppelt faszinierend, sowohl für mich als Autorin, als auch für meine Doktorarbeit als Akademikerin. Der Schriftsteller Lion Feuchtwanger ist mir dort sehr gegenwärtig geworden.

Sind Ihre Bücher auch als e-Book zu lesen, und wie finden Sie e-Books?
Meine Bücher sind als e-Books zu erhalten, aber zum e-Book selbst habe ich mehrere Meinungen. Also, einmal ist es eine zusätzliche Möglichkeit einer enormem Gepäckserleichterung für Reisen, Recherchen sind prima damit zu erstellen. Aber ich lese so viel wie möglich im gedruckten Buch, weil das ein anderes ästhetisch-sinnliches Erlebnis ist. Längere Texte sind mir lieber als Buch aus Papier zu lesen. Aber es ist zweifellos eine Erleichterung, e-books als Alternative zum gedruckten Buch zu haben. Meine Erfahrung bei den Recherchen zu meinem Buch „Verführung“ war das angenehme Gefühl, 12 dicke Bände der Casanova Ausgabe als e-Book im Gepäck zu haben und auf einer Reise mit dem Zug in ihnen hin- und herblättern zu können. Sorge macht mir aber, dass das e Book wohl das Taschenbuch in den nächsten Jahren verdrängen wird. Die nette Seite ist, dass Genres wieder belebt werden wie zum Beispiel die Novelle.

Frau Kinkel, Sie haben einen Verein gegründet, der heißt "Brot und Bücher". Sehr eigenwillig. Erzählen Sie uns über die Ziele des Vereins.
Hilfe zur Selbsthilfe für Kinder, vor allem, aber nicht nur in der dritten Welt, Kinder zu unterstützen Wir unterstützen Schulen. Brot und Bücher heißt, dass ein Kind sowohl seine Kindheit in der dritten Welt überleben muss, aber auch Erziehung braucht, um später als Erwachsener in der Lage zu sein, sich selbst zu helfen. Angefangen haben wir in Indien mit einer Schule, die nun das Zentrum des Dorfes geworden ist, wo Eltern der Schüler und andere Menschen hingezogen sind. Auch unterstützen wir Projekte für verwaiste Kinder.In der Nähe von Bamberg gibt es das Erich Kästner Kinderdorf, da finden Kinder, die an Körper und Seele missbraucht wurden, eine neue Heimat. Das Dorf haben wir inden letzten 10 Jahren unterstützt. Brot und Bücher ist über zwanzig Jahre alt, und wir haben Schönes erreichen können.

Bleiben wir bei den Stadtbibliotheken. Diese haben einen kulturellen Auftrag und sollen der Volkskultur bzw. der Bildung dienen. Die Bibliotheken sind ein Wissensspeicher. Das wird so selbstverständlich hingenommen. Was sollte geschehen, um sie attraktiver zu machen?
Die Bibliotheken müssen natürlich immer mit der Zeit gehen, deswegen finde ich es gut, dass die Bibliotheken das Digitale als Zusatzmedium nutzen, dass man die Bibliotheksbestände online durchgehen kann, sehen, welche Bücher in welchem Stadtteil vorhanden sind. Es ist aber nach wie vor noch wichtiger, dass Lesungen angeboten werden, denn das ist eine wunderbare Möglichkeit, um gerade jungen Leuten etwas zu bieten, was sie nicht daheim vor dem Computer haben, nämlich vorgelesen zu bekommen. Sie werden daran erinnert, dass in dieser Bibliothek auch Bücher ausgeliehen werden können.

Frau Kinkel, wir freuen uns, Ihre Romane in den Stadtbibliotheken ausleihen zu können, und wir danken Ihnen für das Gespräch.

Tanja Kinkel im Internet: www.tanja-kinkel.de
Brot und Bücher e.V.im Internet: www.brotundbuecher.de


©Steffi M.Black 2013(Text u.Bild)