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Gespräche



 20.03.2014 - Traudi Zellbeck ist Gründungsmitglied von Bücher & mehr e.V. 



Traudi Zellbeck


Frau Zellbeck,
wie hat Sie damals die Nachricht erreicht, dass in München Bibliotheken dem Rotstift zum Opfer fallen sollen?

Ich habe in Zeitungen und Stadtteilblättern gelesen, dass Sparmaßnahmen zu zahlreichen Schließungen der Münchener Stadtbibliotheken führen sollten.

Sie waren sicher über die Nachricht entsetzt, dass auch eine Schließung der Stadtbibliotek Ramersdorf geplant war.
Ja, das war ein Schreck, als ich mitbekommen habe, dass die Bibliothek in der Führichstraße geschlossen werden sollte. Eine Bibliothek ist doch ein Ort für kulturelle Grundversorgung. Das darf man sich nicht nehmen lassen. Hinzu kommt, dass sich in unmittelbarer Nachbarschaft eine Schule befindet.

Es gab also Handlungsbedarf. Was haben Sie unternommen?
Schnell bildete sich ein Kreis Betroffener. Dabei wurde viel darüber diskutiert,was wir tun könnten, um die Schließungen zu verhindern. Wir waren uns bald einig einen Bürgerentscheid, genannt „Bücherbegehren“ zu initiieren.

Frau Zellbeck, Sie haben sich nicht nur für den Erhalt der Stadtbibliotheken eingesetzt. In den 70er Jahren gründeten Sie den Kulturkreis Ramersdorf-Perlach. Wie kam es dazu?
In Ramersdorf fanden damals nur selten kulturelle Veranstaltungen statt – zum Beispiel Veranstaltungen für Kinder in der Stadtbibliothek. Das kulturelle Angebot wollte ich erweitern. Um Mitstreiter für diese Idee zu finden, hängte ich Flugblätter im Viertel auf. Das sprach sich herum und einige Interessierte meldeten sich. Es kam zur Gründung des Kulturkreises Ramersdorf-Perlach. Die Initiative organisierte Lesungen, Konzerte, Diskussionen und „Tage des Miteinander“. Für die Veranstaltungen stellten uns insbesondere die Bibliothek, Schulen und Kirchengemeinden dankenswerter Weise Räumlichkeiten zur Verfügung.

Welche Bedeutung haben Bücher in Ihrer Familie?
Eine sehr große. Bücher gehören nicht nur zu meinem Leben; meine Familie hat sozusagen Bücher im Blut. Mein Urgroßvater, Michael Fadinger, war Staatsbibliothekar in München und mein Opa Stadtbibliothekar. Er hat die Straßenbahn-Bibliothek zusammen mit dem damaligen Direktor Prof. Held ins Leben gerufen und geleitet. In den frühen 70ern wurde diese rollende Bibliothek eingestellt und durch Busse ersetzt.

Respekt!
Mein Großvater hatte vor dem 1. Weltkrieg Theologie studiert, wollte Priester werden. Jedoch lernte er während des Krieges meine Großmutter kennen, heiratete und wurde Bibliothekar. Nach seiner Pensionierung gründete er mit seinem Studienkollegen , Pfarrer Kifinger von Maria Ramersdorf , die Pfarrbücherei und betreute sie ehrenamtlich. Jeweils Samstagnachmittag war die Ausleihe.

Sie haben die Pfarrbücherei genutzt?
Als Kind bin ich oft mitgegangen und habe mir Bücher ausgesucht. Immer habe ich eine Tasche voller Bücher mitgenommen und diese bis zum nächsten Samstag gelesen. Ein Leben ohne Bücher kann ich mir garnicht vorstellen. Für mich ist ein Buch etwas Lebendiges und Fantasievolles. Nach dem Tod meines Großvaters war die Pfarrbücherei leider verwaist. Zusammen mit dem Michaelsbund habe ich dann die Bücherei für die Ausleihe neu organisiert und aktualisiert.

Gehören Sie zu den Lesern, die das gedruckte Buch einem digitalen Buch vorziehen?
Hierzu ein eindeutiges „Ja“. Ein Buch in Händen zu halten hat etwas Sinnliches und ist etwas ganz Anderes als ein Buch auf dem Tablet. Mit einem Buch in der Hand kann man besser in die Welt des Geschriebenen versinken, hebt dabei herrlich ab und geht gedanklich auf Reisen. Es war für mich übrigens das Schönste, als ich mein erstes Buch lesen konnte. Ich habe Glück, auch meinen Kindern ist das Lesen von Büchern geblieben.

Frau Zellbeck, kommen wir zurück zum Bücherbegehren. Mit ihren Mitstreitern haben Sie nicht nur Bürger mobilisieren können, sondern auch die Presse. Sie haben sogar einen Doppeldeckerbus gestartet. Wie kam es dazu?
Um die Aufmerksamkeit der Münchner Bevölkerung auf das „Bücherbegehren“ zu lenken und für Stimmen pro Bücherbegehren zu werben, war viel Initiative, Kreativität und Aktivität gefragt. Die Idee kam auf, mit einem „Doppeldecker-Bücherbus“ durch die Stadtteile zu fahren, Plakate aufzuhängen und Infostände aufzustellen, um mit Bürgerinnen und Bürgern zu sprechen. Diese Aktivitäten führten letztlich 2003 zur Gründung unseres Vereins.

Sie haben viel bewegt. Wie empfinden Sie die Münchener Stadtbibliothek heute?
Den Trend zur Automatisierung werden wir nicht aufhalten können. Die Automatisierung ist natürlich eine Erleichterung, allerdings bleibt dadurch die anheimelnde, persönliche Atmosphäre auf der Strecke. Früher war ein „Ratsch“ möglich und ich kannte die Bibliothekarinnen mit Namen, wir grüßten uns auch auf der Straße. Außerdem vermisse ich seit einiger Zeit ein größeres Angebot an Sachliteratur. Die Regale sind ziemlich leer.

Warum?
Die Antwort ist leider keine befriedigende, denn es werden Bücher aussortiert- ähnlich wie nicht mehr nachgefragte Artikel in einem Supermarkt. Seltener ausgeliehene Bücher werden aus den Regalen entfernt.

Frau Zellbeck, bei engagierten Lesern und Nutzern der Stadtbibliotheken wie Sie es sind, haben wir keine Sorge, dass Regale in den Bibliotheken lange leer bleiben. Wir danken Ihnen für das Gespräch.



Mit Traudi Zellbeck sprachen Steffi M. Black und Eliane Seidel von Bücher & mehr e.V.

©Steffi M.Black 2013(Text u.Bild)