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Gespräche



 01.10.2016 - Nina George - Autorin 



Nina George

Die Schriftstellerin, Journalistin und Kolumnistin Nina George kennen wir Leserinnen und Leser als Autorin auch unter dem Pseudonym Jean Bagnol oder Anne West. Viele Romane, Thriller und Sachbuch-Bestseller hat Nina George geschrieben. Das fabelhafte Buch „Das Lavendelzimmer“ verzaubert den Leser und versorgt ihn zusätzlich mit einer literarischen Notapotheke. Als Mitglied des PEN-Präsidiums und beratende Beirätin setzt sich Nina George engagiert für das Urheberrecht und einen fairen Buchhandel ein.

Frau George, in den vielen Büchern, die Sie geschrieben haben, wagten Sie sich auch an die Themen Angst und Vergänglichkeit. Zu diesen Themen entstanden die Bücher:
„Die Mondspielerin, Das Lavendelzimmer und Das Traumbuch.“(Knaur Verlag)
Hinreißende Bücher. Beim Lesen der Mondspielerin, wie Sie die Entscheidung der Protagonisten Marianne, die in der Seine den Tod finden will, ergreifend beschreiben, bekam ich Gänsehaut. Sehr intensiv, so mitfühlend für Marianne. Wie schaffen Sie es, solche Szenen zu schreiben?
Das ist eine Mischung aus Übung, sehr viel Handwerk, als auch Empathie und auch Beobachtungen. Zu dem Zeitpunkt, als die Mondspielerin erschien, hatte ich schon 16 Jahre Schreiben hinter mir, das heißt, ich hatte die Instrumente entwickelt, um meiner inneren Stimme Ausdruck verleihen zu können. Ich bin ein Mensch, der auch in die intime Tiefe geht, ich möchte nicht nur beobachten, ich möchte mitfühlen und über das Mitfühlen schreiben.

Das ist Ihnen sehr gelungen.

Sie sind Ihren Figuren sehr nah. Fühlen Sie sich ihnen seelenverwandt?
Nicht nur das, die Figuren haben einerseits nichts mit mir zu tun und andererseits Alles. Gerade bei Marianne in der Mondspielerin war es so, dass Marianne Sachen gemacht hat, die würden mich wahnsinnig machen. Ich würde irre werden, wenn ich so zögerlich oder verhuscht und so verängstig wäre, aber genau das musste ich beschreiben, um ihre Entwicklung nachzeichnen zu können.

Bekannt wurden Sie vor 20 Jahren als Autorin unter dem Pseudonym Anne West mit dem herausfordernde Titel „Gute Mädchen tun's im Bett - böse überall“. Mit diesem Buch wurden Sie zur Sexpäpstin ernannt. „Lassen Sie uns über Sex reden“ heißt eine allwöchentliche Kolumne in einer Tageszeitung. Wann haben Sie die Kolumne geschrieben und wie entstand sie?

Von „Bild an Sonntag“ bekam ich ein Angebot, diese Kolumne zu schreiben, und ich habe das Angebot angenommen. Es war unglaublich, als Reaktion darauf trafen viele Leserbriefe aus ganz Deutschland ein.

Was stand denn da so drin?
Junge Menschen, wie auch viele Ältere, fragten nach, ob dieses oder jenes bei Sexpraktiken normal sei. Das waren Dinge/Fragen, die so absolut normal waren. Da war keine einzige Perversion oder Gewalttätiges dazwischen. Da habe ich erneut gemerkt, dass Anne West, die es von 1997-2009 gab, nötig ist, um Menschen immer wieder zu sagen: wenn du dich damit gut fühlst, ist es völlig in Ordnung, und wenn sich dein Partner damit auch wohlfühlt, dann ist das völlig in Ordnung. Um diese simple Botschaft zu verbreiten, habe ich 12 Bücher lang Anne West damit beschäftigt. Ich habe aber auch nach 12 Büchern festgestellt, ich glaube, mir es fällt jetzt nichts mehr ein. Vielleicht mache ich noch mal was, wenn ich um die 70 oder 80 Jahre alt bin, und schreibe über Sex im Alter, wie man das einigermaßen unfallfrei hinbekommt.
(Frau George lacht herzhaft)

Frau George, stellen Sie sich immer Fragen, was Realität ist, was Leben und Tod bedeutet?
Irgendwann habe ich realisiert, dass das ein zentrales Thema ist. Als Kind hatte ich einen Panikanfall. Der war aus der Angst geboren. Ich hab’ begriffen, dass Menschen sterben, ich werde auch sterben, doch was bedeutet meine Existenz überhaupt? Verändert es die Welt, wenn ich vorhanden bin, oder nicht? Über die Jahre beschäftige ich mich mit: Angst vor dem Tod, Angst vor dem Leben. Ich habe auf mich geschaut, und mich gefragt, warum traust Du Dich nicht, diese Herausforderung anzunehmen? Und mit diesem Lebensthema kommen auch meine Figuren immer wieder in Berührung.

In Ihrem Buch Das Lavendelzimmer schaffen Sie eine literarische Notapotheke an. Herrliche Idee. Diese Apotheke ist für Literaturfreunde sehr bereichend. Welche Bücher suchen Sie als Heilmittel aus?
Ursprünglich hatte mich Erich Kästner mit seiner lyrischen Hausapotheke in den 1930er Jahren fasziniert, durch diese kam ich zu meiner literarischen Apotheke. Inzwischen sprechen mich Menschen darauf an, oder schreiben mir. Zuletzt ein 17-jähriger Amerikaner, der damit haderte, dass er nicht weiß wohin im Leben.
Für mich habe ich auch eine eigene Apotheke, die sich aber alle paar Jahre ändert. Als ich Liebeskummer hatte, habe ich ganz viele Thriller und spannende Bücher gelesen. Ich wollte keine Humorbücher lesen, bei Kummer kann man nicht lachen.
Persönlich empfehle ich, Bücher langsam zu lesen. Wenn man Stress hat, vielleicht noch Sport macht, oder Kinder und Familie versorgen muss, usw., braucht man Bücher, die langsam und vielleicht etwas kompliziert zu lesen sind, damit sich der Kopf entspannen kann. Beim Lesen passieren faszinierende Dinge: der Blutdruck geht runter, die Immunabwehr geht hoch, Glückshormone werden ausgeschüttet. Das Gehirn schwingt sich in einen anderen Denkmodus ein, die Konzentration wird erhöht. Lesen ist für Körper und Seele schon allein durch den Leseprozess eine Erholung. Je langsamer ein Buch gelesen wird, desto schöner ist diese Kur.

Was ist mit dicken Büchern?

Ich sag’ mal so, wer unter Schlafstörungen leidet, kann auch gleich viel lesen. Der- oder diejenige sollte unbedingt dicke, schöne Bücher lesen. Allerdings ist da ein Risiko mit Nebenwirkungen, dass man lahme Arme bekommt und einem das Buch aufs Gesicht fällt.

Werden Sie das Angebot der literarischen Apotheke erweitern?

Ich würde gerne die Empfehlungen in kommender Zeit auf einer eigenen Internetseite online stellen.

Auch die landestypischen Rezepte aus Frankreich?

Auch das möchte ich gerne machen, doch ist das ist alles eine Zeitfrage

Frau George, Sie schreiben gleich unter mehreren Pseudonymen, warum?
Dazu gibt es eine kleine Geschichte: Wir haben mal unsere Agentin gefragt, warum sollen wir einen Krimi unter einen neuem Namen wie Jean Bagnol schreiben und nicht unter Nina George und Jo Kramer? Und die Agentin sagte: weil die Verlage es so wollen.
Da haben wir die Verlage gefragt, warum sollen wir das eigentlich machen, dass wir unter einem anderen Namen schreiben, vielleicht mögen die Leser J.B. und denken, mal einen französischen Krimi zu lesen, das ist doch auch was. Die Verlage sagten: wegen der Buchhändler.
So sind wir zu den Buchhändlern gegangen, und haben gefragt: aber wieso sollen wir denn unter verschiedenen Namen schreiben? Ist es wegen der Regale, muss man es anderes einordnen? Und die Buchhändler sagten: das ist wegen der Leser.
Dann haben wir die Leser gefragt, und diese sagten: Hm, was??? Kurz gesagt: es gibt die Idee, dass jeder Name eine Marke ist.

Sie stehen aber zu Ihren Pseudonymen und verheimlichen sie nicht.

Ich stehe zu jedem Wort, was ich geschrieben habe. Bei anderen Autoren ist das vielleicht anders, dass sie nicht zu ihrem Pseudonym stehen. Es gibt geschlossene und offene Pseudonyme. Die offenen Pseudonyme spielen mit der Karte: schau, auch wenn nicht Nina George draufsteht, steckt sie drin. Die geschlossenen spielen sehr oft damit, dass man sich ein literarisches Experiment gönnen möchte, oder in einem anderen Genre was Neues wagen und darin eventuell auch scheitern zu können. Es gibt viele rationale Gründe für ein geschlossenes Pseudonym. Wir machen es offen.

Sie schreiben mit Ihrem Ehemann und Autor Jo Kramer Kriminalromane. Dafür haben Sie das Pseudonym Jean Bagnol gewählt. Wer von Ihnen hat die ersten Ideen zu einem Buch?
Erstaunlicherweise haben wir die gleichzeitig. Das fängt schon bei der Grundidee an. Bei der Idee, die wir dann haben, kann man gar nicht mehr sagen, wer sie zuerst hatte, denn sie bleibt ja nicht so. Die Idee wird gemeinsam entwickelt, denn wir sind zusammen in der Summe viel, viel mehr, als wir es einzeln sind. Wenn wir uns zusammen tun, da sind wir nicht nur Jo und Nina, es kommt da eine dritte Qualität hinzu.

In Südfrankreich begegneten Sie Commissaire Mazan und haben über ihn mehrere Thriller unter dem Pseudonym Jean Bagnol geschrieben. Das ist ein besonderer Kommissar. Eleganter Gang, wunderbare Augen, sehr eigenwillig. Wie war Ihre erste Begegnung mit Commissaire Mazan?
Das war in der nördlichen Provence, im Städtchen Mazan, in der Nähe des ehemaligen Theaters des Marquis de Sade. Wir sahen die schöne schwarze Katze, wie sie lässig etwas stibitzte. Deswegen heißt auch unserer erster Kriminalfall: Commissaire Mazan und die Erben des Marquis. Immer wenn wir schwarze Katzen sehen, sind wir entzückt und sehen in ihnen Commissaire Mazan. Der Altstadtkern von Mazan hat ganz kleine Gassen, in denen überhaupt kein Auto durchpasst, und wir haben keine Stadt in Frankreich gefunden, die so von Katzen beherrscht wird. Das sind Hauskatzen, die zur blauen Stunde nach draußen kommen. So viele Katzen! Unser gesamtes Personal aus Commissaire Mazan wird man dort wieder erkennen.

Frau George, haben Sie Lieblingsfiguren über die Sie am liebsten schreiben?
Immer die nächsten. Wenn ich ein Buch abgeschlossen habe, bin ich in Gedanken bei den nächsten Figuren. Solange ich noch nichts geschrieben habe, nicht den Plot erdacht habe, beschäftige ich mich mit den Figuren, und in diesen Momenten wachsen sie mir ans Herz und werden mir vertraut.

Auf Lesungen sind Sie sehr emotional und untermalen auch Texte mit Musik. Das ist eine schöne Art, dem Zuhörer den Text rüber zu bringen. Haben Sie beim Schreiben schon die Musik im Kopf?
Ich wähle tatsächlich für jedes Buch eine Leitmusik aus. Ein bestimmtes Lied, zu dem ich auch bestimmte Stimmungen im Kopf habe. Während des Schreibens höre ich selten diese Musik, es sei denn, es kommt zu Tanzszenen. Beim Traumbuch ist das Leitmotiv der Libertango. Beim Lavendelzimmer war es Por una Cabeza, das ist ein bestimmter Tango, und bei der Mondspielerin war es ein spanisches Lied, das zu einem Tango umgeformt wurde: Hijo de la Luna - Sohn der Mondin. Das waren meine inneren Leitmusiken.

Das konnte ich bei einer Ihrer Lesungen erleben. Das Publikum ist mucksmäuschenstill, lauscht, und wiegt sich im Tangoschritt mit.

Sie sagten mal, dass sich intensive Gefühle bei Ihnen festgeklemmt haben.Beflügeln die Gefühle Sie, oder haben Sie dadurch Schreibblockaden?
Manchmal bin so voller Gefühle, dass ich gar nicht weiß, wie ich es beschreiben soll, denn ich möchte ja nicht kitschig oder überladen werden, und ich möchte dem Leser auch nicht alles erklären. Ich möchte Bilder und Assoziationen schaffen, durch die beim der Leser die Resonanz des Gefühls entsteht. Das ist auch eine bestimmte Schreibweise, die sich jetzt ein bisschen abstrakt anhört. Die Kunst, etwas so zu erzählen, dass es in dem Leser das Gefühl auslöst, oder auslösen soll, ohne das Gefühl gleichzeitig zu benennen.
Schreibblockaden hatte ich noch nie, aber ich habe eine Gefühlsaufwallung, die mir sagt, wenn ich auf dem richtigen Weg bin. Wenn ich anfange zu weinen, weiß ich, der Text ist gut, die Idee ist gut.

Frau George, hier zitiere ich eine Frage aus der Zeitschrift Buchreport 3/2015 an Sie, denn Sie nehmen eine entschlossene Position zum Urheberrecht für Autoren ein und engagieren sich für das gedruckte Buch:
Die Schriftstellerin Nina George ist Mitgründerin der Autorinneninitiative „Ja zum Urheberrecht“ und vertrat die Interessen der Autoren beim Fachgespräch der Grünen-Bundestagsfraktion. Im Interview erklärt sie, welche Probleme sie mit einer Ausweitung der Bibliotheks-„Onleihe“ hat. Bibliotheken fordern, ihren Nutzern aktuelle Bestseller über ihre E-Book-„Onleihe“ zur Verfügung stellen zu können. Warum sperren Sie sich als Autorin dagegen?
Was hat sich in der Zwischenzeit getan?
Zum Glück einiges. Damals war es so, dass die Bibliotheken alles forderten, ohne gleichzeitig zu sagen, was sie dafür an Autoren und Verlage bereit sind zu zahlen. Ich kenne die Argumente des Bibliotheksverbandes, ich weiß, dass Kommunen wenig Geld für Bibliotheken haben, und dass dort der Bildungsauftrag nur schwer erfüllt werden kann.
Dafür habe ich Verständnis. Jedoch können Autoren, und gerade die prekär lebenden Autoren, nicht den Bildungsauftrag übernehmen, und das, was Kommunen und Regierung nicht für Bibliotheken ausgeben wollen, dahingehend ertragen, dass sie, die Autoren, nicht gescheit bezahlt werden.
Jetzt hat sich einiges geändert, wir Autoren wissen zwar immer noch nicht, wie viel wir pro Ausleihe bekämen. Zum Vergleich: je nachdem wie die Bibliotheksausleihe von Büchern war, gab es in manchen Jahren pro Ausleihe 4 Cent oder 2 Cent. In diesem Jahr ist der Betrag sehr hoch, auf Grund einer Sonderausschüttung der Bibliotheken über die VG Wort. Der Autor bekommt einen Grundstock von 123 Euro, egal ob sein Buch ausgeliehen wurde oder nicht. Aber letztlich wissen wir nicht, wie viel wir für eBooks bekommen.
Inzwischen gibt es wohl die Überlegung, dass keine unbegrenzte Anzahl von eBooks ausgeliehen wird, sondern eine begrenzte Anzahl und auch nur für eine begrenzte Zeit, und nicht unbedingt Novitäten, sondern vielleicht Bücher, die schon ein Jahr im Handel sind und dann erst als eBooks in die Bibliotheken gehen.
Also, wenn Autoren und Bibliotheken über Honorare reden, um Frieden zu schließen, den sie auch zuvor miteinander hatten, ist das mehr als berechtigt. Ich habe diesen Frieden gestört gefühlt. Bibliotheken, die alles wollten, aus Gründen, die zwar nachvollziehbar sind, aber wo nur wir Autoren gelitten hätten.

Frau George, müssen wir Angst vor Ihnen haben, denn in Ihrer Vita steht, dass Sie dem „Syndikat Mörderischer Schwestern“ angehören.
Man sollte unbedingt immer Angst vor Autoren haben. Wenn man sie nämlich beleidigt, taucht man im nächsten Buch auf.
Die „Mörderischen Schwestern“ ist eine Vereinigung für deutschsprachige Kriminalliteratur von Frauen. Sie beschäftigen sich mit der Frauenfrage. Auch das Syndikat beschäftigt sich ebenfalls mit der Förderung der deutschsprachigen Kriminalliteratur, insbesondere mit dem Ansehen, dass sie nicht nur als Schmuddelliteratur wahrgenommen wird. Meine Krimis, die ich schreibe, sind durchaus abgründig. Ich erkläre und zeige, wie gute Menschen fehlbar werden, wie gute Menschen über alle Grenzen gehen, wie gute Menschen Amok laufen. Ich interessiere mich weniger für das Böse, für die bösartigen Menschen, ich interessiere mich mehr für die guten Menschen, die Ausfälle haben.

Stimmt es, dass Sie Statistiken lieben?
Ich liebe Statistiken, aber noch mehr liebe ich harte Fakten. Statistiken setzen ja Dinge immer ins Verhältnis, und da muss man sich erstmal das Verhältnis anschauen. Es gibt da eine Lieblings -gefälschte- Statistik, eine von der Piraten Partei. Sie hat behauptet, Leute, die eBooks klauen, würden auch mehr kaufen. Guckt man nach, wie haben sie das denn erhoben, kam heraus, dass sie Vergleichgruppen nahmen: eine Gruppe von kirchlichen Angehörigen in den USA, es waren Katholiken, im Vergleich zu Gefängnisinsassen im Vergleich zu schulpflichtigen Kindern. Das ist schon merkwürdig. Solche Statistiken kann ich nicht akzeptieren. Aber sonst liebe ich Zahlen.

Was meinen Sie mit: Verrate deine Figuren nicht für einen schlechten Witz.

Wenn man Figuren in Bedrängnis bringt, muss man immer noch auf ihrer Seite sein, auch wenn sie etwas Dummes tun.

Sie sagen auch: Stimmen haben Farben. Welches Schema verwenden Sie dafür?
Ich bin Synästhetikerin. Wenn ich Stimmen wahrnehme, empfinde ich auch gleichzeitig etwas Zusätzliches: eine Wärme, eine Farbe. Ich beschreibe Töne mit Farben, ich beschreibe Stimmen in Räumen mit Temperaturen. Ich beurteile Bücher, ob sie gut klingen oder Rhythmus haben. Das ist ein inneres Schema, was ich empfinde.

Sie sind sehr engagiert für das Thema Buch. Haben Sie die Aktion „Für das Wort und die Freiheit“ ins Leben gerufen und organisiert?
Ich persönlich nicht, ich bin aber Mitglied des PEN Deutschland, der zusammen mit dem Börsenverein des deutschen Buchhandels und mit Reporter ohne Grenzen schon am 23.06.2016 die Kampagne „für das Wort und die Freiheit“ gestartet haben und jetzt mit der Petition „free Words Turkey“ Stellung nehmen. Wir können nur immer wieder wiederholen, Meinungsfreiheit ist nicht verhandelbar, Meinungsfreiheit muss für alle gelten. Meinungsfreiheit heißt auch, dass die in der Türkei inhaftierten Autoren und Autorinnen unmittelbar frei zu lassen sind.

Bei soviel Engagement, wann nehmen Sie sich Zeit zum Schreiben?
Ich teile die Zeit ein und arbeite in Blöcken. Das heißt, wenn Verlagstermine für einen neuen Roman anstehen, nehme ich keine Termine an.

Frau George,
von Ihnen, von Anne West und Jean Bagnol wünschen wir Benutzer der Münchner Stadtbibliotheken viele weitere, Berichte, Sachbücher und bezaubernde Romane. Wir danken für das Gespräch.



©Steffi.M.Black 2016 (Text)
Urban Zintel©Nina George (Bild)