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Gespräche



 09.01.2017 - Tom Hillenbrand 



Tom Hillenbrand

Tom Hillenbrand ist Journalist und Schriftsteller. Vom Wirtschaftsredakteur über die Technik zum Kriminal-Autor. Die Technik-Kolumne „Apparatschik“ und die Mobilitäts-Kolumne "Abgefahren" sind auch von Tom Hillenbrand. Seit 2011 veröffentlicht er unter dem Pseudonym Tom König die Kolumne "Warteschleife". Bei Kiepenheuer & Witsch erschien Hillenbrands erster Roman „Teufelsfrucht“, weitere Kriminalromane folgten, so wie der historische Roman „Der Kaffeedieb.“

Herr Hillenbrand,
es ist ein köstliches Vergnügen, Ihre kulinarischen Krimis zu lesen, in denen ein Luxemburger Koch in merkwürdige Mordfälle verwickelt wird. Die Titel „Teufelsfrucht“, „Letzte Ernte“, oder „Tödliche Oliven“ und „Rotes Gold“ (alle Kiwi Verlag) seien hier nur kurz erwähnt. Irgendwie treffen Sie den Nerv des Genießers, oder ist es doch eher Ihr eigener?

Beim Schreiben hab ich nicht die vielen Leser vor mir, frage mich nicht, welchem Geschmack sie nachgehen würden, da ist mein eigener Gaumen gefragt. Irgendwie schreibt man ja immer auch für sich selbst.

Wo war der Gaumenkitzel, der Sie zum Kulinarischen trieb?
Ich esse gerne, ich koche auch gerne. Als ich mal eine Sendung über einen Food -Tester gesehen habe, inspirierte mich das zu meinem ersten kulinarischem Krimi „Teufelsfrucht.“ Dass sich dann mein Protagonist und Koch Xaver Kieffer zu einer Serie entwickeln würde, war nicht voraus zusehen.

Ich finde Ihren Koch Xaver Kieffer toll,
und Reisebeschreibungen liefern Sie auch gleich mit.


„Der Kaffeedieb“ ist Ihr erstes historisches Buch. Ein spannendes Werk über einen abenteuerlichen Spekulanten im 17. Jahrhundert, der auf andere Weise Geld mit Kaffee machen möchte. Was hat Sie als Wirtschaftjournalist mehr interessiert, der Kaffee oder die historische Zeit?
Der Kaffee war schon die Ausgangsgeschichte. Mich hat die historische Zeitperiode interessiert und die Art und Weise, wie die damaligen Wirtschaftskreisläufe verliefen. Es ist ja eine Geschichte über ein Monopol, das letztlich gebrochen wird. Das kommt nicht oft vor in der Geschichte, hin und wieder schon. Man denke an das Meissner Porzellan. Der Kaffeegenuss interessierte mich eher am Rande, aber dass über diesen Kaffeeraub die Türken vom Markt verdrängt wurden, war schon eine interessante Sache.

Im Buch „Der Kaffeedieb“ wird auch in der damaligen Hofsprache geredet,
„Ihr Hochwohlgeboren“ usw. Wie geht es Ihnen, wenn man in einer für uns so ungewohnten Sprache aus dieser Zeit zitiert?

Die Sprache war noch das einfachste, das kann man ja in Dokumenten nachlesen. Aber die Leute haben ja nicht nur anders gesprochen, sie haben auch anders gedacht. Die Erlebniswelt war damals anders. Kleines Beispiel: im 17. Jahrhundert trugen nur Männer Schuhe mit Absätzen, Frauen nicht. An der Sprache kommt uns heute so manches umständlich vor.

Stammen die Briefe, die Sie im „Kaffeedieb“ aufführen, aus Originalen von damals?
Die Briefe sind ausgedacht, doch basieren sie auf Briefwechseln, die ich dazu recherchiert habe. Unter anderem ein Briefwechsel zwischen Leibnitz und Eugen von Savoyen und Briefe von Liselotte von der Pfalz, der Schwägerin von Ludwig XIV.

Mein Respekt vor Autoren von historischen Romane die sich in das Denken der Zeit einfühlen, um uns Lesern dann die Zeit zu vermitteln.

Nehmen Sie ein psychologisches Muster, um Ihre Figuren zu gestalten?
Das versuche ich tunlichst zu vermeiden. In dieser Geschichte aber weiss man, dass bestimmte Gruppen bestimmte Funktionen erfüllen müssen. Das gibt die Richtung vor. Meine Figuren skizziere ich für mich mit zwei, drei Sätzen, der Rest ergibt sich im Schreiben.

Wie machen Sie das, dass Sie beim Schreiben die Zeit der Handlung im Griff haben? Konzentrieren Sie sich da rund um die Uhr?
Hm, solange ich am Schreibtisch sitze und schreibe, bin ich tatsächlich nicht in dieser Welt, da bin ich komplett an dem Ort, wo die Geschichte spielt.

Haben Sie Rituale beim Schreiben?
Ja, man muss sich irgendeine Struktur geben. Roald Dahl hat mal gesagt, dass es bescheuert ist Schriftsteller zu werden.Man bekommt dafür nichts außer Freiheit. Die muss man natürlich gestalten. Für mich ist es ganz wichtig, einen geregelten Tagesablauf zu haben.

Nach Ihren Romanen schreiben Sie Drehbücher, oder? Ihre Krimis werden verfilmt.
Ich habe die Filmrechte verkauft, und die Drehbücher werden von anderen Personen geschrieben. Ich bleibe beim Bücherschreiben.

Phantasievoll sind auch Ihre Lesungen. Sie tauchen wie ein Schauspieler in die Rollen Ihrer Protagonisten. Da macht es Spaß Publikum zu sein. Doch für Sie muss es anstrengend sein.
Ja, das ist es. Es ist eine Konzentrationsaufgabe. Stimmlich ist es auch anstrengend, denn ich habe überhaupt keine Sprecher-Ausbildung. Aber es macht Riesenspass, auf diese Art Lesungen zu machen. Das Buch selbst, das könnte man ja auch zu Hause lesen.

Mit riesigem Vergnügen habe ich ein anderes Buch aus der Vielfalt Ihrer Veröffentlichungen betrachtet, nämlich „Schräge Schilder“ (Kiwi Verlag) und kam aus dem Lachen nicht heraus. Das war eine richtige Therapie für mich, da ich zu der Zeit gerade in einer Klinik war. Wie kamen Sie auf die herrliche Idee, Schilder zu sammeln?
Diese Idee ist mir in den Schoß gefallen. Ich war noch bei Spiegel Online. Ein Kollege startete einen Aufruf für „schräge“ Verkehrsschilder und es kamen unerwartet tonnenweise Lesereinsendungen. So entstand dieses wunderbare Buch.

Das Buch ist herrlich grotesk, man muss es jedem unter die Nase halten, der traurig ist, oder andere Gedanken sucht, oder wer sich einmal am Tag köstlich amüsiert will.


Das Gegenteil ist Ihr Science-Fiction-Roman „Drohnenland“ (Kiwi Verlag). Kurz aus dem Inhalt: Wozu Zeugen vernehmen, wenn all ihre Bewegungen und Gespräche bereits auf einer Festplatte archiviert sind? Warum Tatorte begehen, wenn fliegende Polizeidrohnen schon alles abfotografiert haben? Uff, da kann sich der Leser in eine Totalüberwachung einer digitalen Zukunft hineindenken. Dafür bekamen den Sie den begehrten Friedrich-Glauser-Preis für Kriminalromane. Wie ging es Ihnen dabei, George Orwell zu überholen?
In der Weitsichtigkeit kann fast niemand Orwell überholen, aber in der Tat ist es so, dass es bei Orwell noch so war, dass einen vorallem Taten und Worte ins Gefängnis oder in die Keller des Ministeriums der Liebe brachten. An das, was im Kopf ist, kam bei „1984“niemand ran. Betrachtet man aber heutzutage wie auf welche Art und Weise Menschen mit Big Dats analysiert werden können, dann kommt man irgendwann drauf, dass auch nicht mal mehr die Gedanken frei sind. Das ist eine beängstigende Vorstellung. Ich fand es notwendig, die ganzen Überwachungsszenarien bis zum schlimmstmöglichen Ende einmal durch zu deklinieren.

Sehr interessant finde ich auch Ihr Buch „ Des Königs NSA.“
Lange vor der Existenz des Internets entwickelten Europas Monarchen bereits Systeme zur Bespitzelung ihrer Untertanen. Ein Ausflug in die Frühzeit der Totalüberwachung. Über die Überwachungsfunktionen Bescheid zu wissen, kann nie verkehrt sein. Warum ist dieser Text nur als e-Book erschienen?

Der Text des Königs NSA ist als Essay geschrieben und ist somit ein zu kurzer Text für ein Druckwerk. Das Medium e-Book bietet sich für kurze Texte an. Wenn man sich den Text ausdrucken möchte, kann man auch über ePubli (eBook-Plattform der Holtzbrinck Gruppe) an den Text kommen.

Damit Ihre Buchtitel bekannt werden nutzen Sie auch soziale Netzwerke?

Ja, alles was möglich ist.

Sie haben auch eine eigene Homepage?

Ja, die hab ich (http://www.tomhillenbrand.de) Ich bin auch auf Twitter, Facebook, und habe einen Newsletter.

Herr Hillenbrand,
Sie schauen der Zeit voraus. Sie machen uns Leser mit Drohnen vertraut. Wir ahnen mit Schaudern, was auf uns zukommt. Lieber sind mir Ihre kulinarische Romane, oder die Romane über Diebe, die Köstlichkeiten nach Europa holen wollen. Wir Benutzer der Münchner Stadtbibliotheken freuen uns auf weitere, spannende Bücher von Ihnen und danken für das Gespräch.



©Steffi.M.Black 2017 (Text)
©Wolfgang Schmidt (Bild)