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Gespräche



 27.04.2017 - Lianne Kolf - Literaturagentin 



Lianne Kolf

Frau Lianne Kolf ist seit 35 Jahren Expertin und Agentin für Literatur. Mit ihrem Lebensmotto „Veränderungen sind kein Schicksal, sondern eine Chance“ vermittelt Lianne Kolf mit Leidenschaft und analytischem Verstand Autoren an Verlage. Mit ihrer Berufserfahrung, ihren Kenntnissen in der Verlagsbranche und ihrer guten Nase für neue Stoffe hat sie großen Erfolg. Viele der von ihr vermittelten Bücher wurden berühmt, viele davon durch die Agentur auch an Filmproduzenten vermittelt. Die Verlagsagentur Lianne Kolf ist die einzige Agentur, die eine große Filmabteilung betreibt.


Frau Kolf,
Leserinnen und Leser wollen schöne, gute, spannende und unterhaltsame Bücher in den Händen halten, und dass wir Leser dabei eine große wie vielseitige Auswahl haben, ist auch Ihrer Literaturagentur zu verdanken. Sie waren die Erste, die eine Literaturagentur gegründet hat. Wie kam es dazu?

Ich arbeitete in einem Verlag, der Konkurs angemeldet hatte, und eine Reihe von Autoren waren ratlos. Aus der Not kam die Idee, eine Agentur zu gründen. Ich war nicht die erste, die eine Literaturagentur gegründet hat, denn die gibt es schon seit zweihundert Jahren auf der Welt. Aber ich war die erste, die für deutschsprachige Autoren eine Agentur gegründet hat.

Starteten Sie als ein Ein-Frau Unternehmen?

Ja, so war das.

Ganz alleine?
Alleine mit einer Sekretärin.

Wie haben sich Verlage Ihnen gegenüber als Agentin verhalten, wurden Sie als Agentin ernst genommen?

Ja, obwohl alle gesagt haben, es fehlt ihnen wie ein Kropf. Es reicht ihnen schon, dass die ausländischen Autoren Agenten haben. Das brauchen sie nicht auch noch bei den deutschsprachigen Autoren.

Wirklich? Das war aber nicht schön.

So war es aber. Mir wurden viele Stellen in Verlagen angeboten, die ich dankend abgelehnt habe, und ich habe allen gesagt, ich versuche es jetzt ‘mal.

War der Markt für diese Dienstleistung vorhanden, oder mussten Sie ihn erst machen, so wie IBM und Microsoft vor 35 Jahren den PC-Markt geschaffen haben?

Der Markt für Bücher war immer offen, nur diese Schaltstelle war für die Verlage und Autoren völlig neu.

Da schließt sich die nächste Frage an: wie entdeckt man einen Bestseller?

Indem man einen guten Autor entdeckt. Ob es ein Bestseller wird, weiß man erst nachher.

Wenn dies einmal gelungen ist, ist der Druck wohl groß, weitere Manuskripte zu finden, die ein Bestseller sein könnten, oder?

Das ist immer gleich. Man hofft immer, etwas besonders schönes, interessantes zu finden. Ob man vorher einen Bestseller hatte oder nicht, spielt dabei keine Rolle.

Frau Kolf, wie haben Sie sich als Agentur bekannt gemacht?

Durch die Autoren. Unsere Neugründung und Dienstleistung hatte sich schnell herumgesprochen. Interviews und Fernsehauftritte trugen auch dazu bei, die Agentur bekannt zu machen.

Hat sich Ihre Agentur spezialisiert?

Nein. Wir vertreten deutschsprachige Autoren, vom Ratgeber über Sachbuch und Belletristik.

Was zeichnet den Beruf Literaturagent aus? Was muss man wissen, was sollte man studieren?
Als erstes sollte man wissen, wie das Verlagswesen funktioniert. Ich habe Buchhändlerin gelernt und habe dann 10 Jahre in deutschen Buchverlagen gearbeitet. Man braucht Kontakte in die Verlage, und man braucht Kontakte zu Autoren.

Also, dass man Literaturwissenshaft oder Buchkunst studiert, ist nicht Voraussetzung?
Nein. Man muss wissen, wie der Markt funktioniert, von der Buchhandlung bis zur Stadtbibliothek. Was passiert in den Verlagen, in den einzelnen Abteilungen. Wer macht was.

Auf dem Büchermarkt tauchen immer wieder neue und sehr junge Verlage auf, vermitteln Sie an diese Verlage auch?
Selten, denn wir haben Autoren, die vom Schreiben leben. Die Autoren brauchen dementsprechend einen Geldbetrag. Die meisten jungen Verlage, wenn sie nicht an größere Häuser/Verlage angekoppelt sind, können aus finanziellen Gründen keine Vorschüsse bezahlen.

Die Verlagsagentur Lianne Kolf vermittelt nicht nur Manuskripte, sondern auch Filme?
Wir bekommen von den Autoren das Recht zur Vermittlung von diversen Rechten. Das heißt: zusätzlich Ausland, Hörbuch, Taschenbuch, auch Verfilmungs- und Bühnenrechte. Wir vergeben diese Rechte zum Teil einzeln, doch wir behalten uns die Film- und Bühnenrechte vor und geben die nicht nach außen, sondern verwerten sie innerhalb der Agentur. Wir suchen uns Partner, Filmproduzenten oder Bühnenverlage. So wie wir Bücher an Verlage vermitteln, so vermitteln wir Filmrechte an Filmproduzenten.

Frau Kolf, gehen Sie Kompromisse für Manuskripte ein, die Sie für halbherzig halten?

Wie meinen Sie das?

Zum Beispiel, der Autor ist Ihnen sympathisch, aber das Manuskript ist nicht wirklich gut.

Nicht der Autor muss sympathisch sein, sondern das Manuskript. Das wäre ja so, als ob dem Angler der Wurm gefällt, den er dem Fisch zuwirft. Es nützt dem Autor ja nur etwas, wenn ich sein Werk vermitteln kann.

Frau Kolf, gab es auch peinliche Situationen? Erzählen Sie uns eine Anekdote.

Also, es gibt immer wieder kuriose Situationen, die dann auch peinlich sein können. Ich hatte einen Wiener Autor, der eine erfolgreiche Krimireihe ins Leben gerufen hat. „Cottan ermittelt“ war eine große Kultreihe in Österreich. Diese hatte ich an einen deutschen Verlag vermittelt. Auf der nächsten Buchmesse stand der Autor plötzlich mit einem Stand da, hatte einen eigenen Verlag gegründet und pries seine Bücher an. Ohne mich zu informieren, und er hat auch den Verlag nichts wissen lassen. Das empfand ich als peinlich.

Das Gegenteil, verraten Sie uns, worauf Sie stolz sind.

Im Moment bin ich besonders stolz auf eine Neuentdeckung, einen Autor, der sein erstes Werk geschrieben hat. Das ist Daniel Speck mit dem Titel „Bella Germania“. Es ist mir gelungen, Autor und Titel an den S. Fischer Verlag in Frankfurt zu vermitteln. Speck’s Debütroman ist seit dem ersten Tag des Erscheinens vor fast einem Jahr auf der Bestsellerliste im Spiegel.

Gratulation.

Danke sehr, das ist ein gutes Buch, und wir sind eine gute Agentur.

Wird man als Autor durch eine Agentur bei einem Verlag mehr beachtet und anerkannt?
Das glaube ich nicht, denn es zählt immer das Werk. Das einzige was wir wissen ist, dass Verlage, mit denen wir seit 20,30,40 Jahren zusammenarbeiten, unsere Angebote anschauen.

Und geht man dann als Autor bei der Agentur Verpflichtungen ein?

Ja. Nämlich die nächsten zwei Werke der Agentur anzubieten.

Frau Kolf, was sagen Sie da, wenn ein Autor zu Ihnen ins Büro stürmt und sagt, hier ist mein neuestes Werk, das verdient den Nobelpreis. Vermitteln Sie mir einen Verlag!
Dann sage ich: lassen sie es da, ich schaue es mir an.

Wir Leserinnen und Leser sehen es dem Buch nicht an, durch welche Hände es auf dem Weg zum Verlag gegangen ist. Doch profitieren wir davon, dass wir schöne, gute, spannende und unterhaltsame Bücher aus dem Regal ziehen können. Das verdanken wir auch den Verlagsagenturen. Frau Kolf, vielen Dank für das Gespräch.

©Steffi.M.Black 2017 (Text)
©Verlagsagentur Lianne Kolf (Bild)