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Gespräche



 03.03.2015 - Friederike Hausmann - Übersetzerin u. Autorin 



Dr. Friederike Hausmann

Friederike Hausmann schreibt Biographien und übersetzt Romane aus dem Italienischem ins Deutsche. Der C.H.Beck Verlag hat die Biographie Friederike Hausmann über die Königin Maria Carolina von Neapel veröffentlicht.


Frau Hausmann,
über drei Seiten lang ist die Bücherliste von Ihnen im Onlinekatalog der Münchner Stadtbibliothek. Welches war Ihr erstes Buch?

Das erste Buch, das ich geschrieben habe, war die Garibaldi Biographie. Damit habe ich damals angefangen, als ich in Italien gelebt habe. Es gibt eine nette Geschichte zu Garibaldi. An den ital. Fensterläden sind die Feststell-Halter mit einem kleinen Kopf versehen. Das soll der Kopf von Garibaldi sein. Hübsch, oder? Giuseppe Garibaldi, der Freiheitskämpfer Italiens (ca.1866) ist in Italien in aller Munde, wir in Deutschland wissen wenig über ihn und seine Epoche.

Und damit ist Ihre Zuneigung zu Italien und zur italienischen Geschichte entstanden?
Nein, das war umgekehrt. Meine Liebe zu Italien war da schon längst erblüht und auch meine Liebe zur Geschichte. Für mich war dann klar, nach Italien zu ziehen. Die schöne Stadt Florenz war meine erste Station.

Sie schreiben auch eigene Bücher. „Herrscherin im Paradies der Teufel“
heißt die Biographie, die Sie über die Königin Maria Carolina von Neapel, eine Tochter von Kaiserin Maria Theresia, geschrieben haben. Der Titel ist bei C.H. Beck erschienen. Warum haben Sie diese Frau ausgewählt?

Neapel war für mich eine Stadt, die ich gar nicht so kannte, die mich aber immer interessiert hat. In der Literatur bin ich über eine andere Frau gestolpert, die eine adelige Revolutionärin in der Zeit der franz. Revolution war, und über sie war wenig rauszukriegen. Mit der Geschichte über Königin Maria Carolina, die leider in Italien nach wie vor verhasst ist, konnte ich so die ganze Zeit und die Stadt Neapel beschreiben.

Wird diese Biographie von Ihnen ins italienische übersetzt?

Ich stehe in Verhandlungen, aber leider gibt es bis jetzt noch nichts Konkretes.

Wir Leser haben das Glück Bücher lesen zu können, die das Leben interessanter Menschen aus Italien beschreiben, weil es so gute Übersetzer wie Sie, Frau Hausmann, es gibt. Übersetzen Sie gerne historische Bücher?

Ja, das tue ich sehr gerne, wobei ich eher das Sachbuch oder historische Bücher übersetze. Mich beeindrucken sehr die italienischen Historiker. Sie pflegen die Kunst des anschaulichen und narrativen Schreibens, das für mich immer sehr inspirierend ist.

Sie sind promovierte Historikerin, da ist es naheliegend in historische Stoffe einzutauchen. Sie haben ein Buch geschrieben: Kleine Geschichte Italien seit 1943. Das ist im Wagenbach Verlag erschienen. Wie schaffen Sie es, Italien ohne Klischee zu beschreiben?
Eigentlich ist es so, dass ich ständig gegen Klischees anschreiben muss. Gerade in der Zeit von Berlusconi war es so, dass fast jeder (deutsche) Zeitungsleser eine feste Meinung über Italien hatte, und ich immer versucht habe, dies zu durchbrechen, ob Italien – das Mafia Land, oder Italien – Bunga Bunga, usw.

Welche historischen Bücher folgten danach?

Danach habe ich mich einem noch umfangreicheren Thema gewidmet. Im C.H.Beck Verlag erschien damals eine Reihe „die Deutschen und ihre Nachbarn“, Ich sollte über den italienischen Bereich schreiben. Ganz mutig fing ich mit der Antike an.

Was hat es mit dem Buch „Der verschollene Deutsche“ auf sich?

Nuto Revelli ist ein bekannter Historiker in Italien, und er pflegte, was damals unter uns Historikern verpönt war „ die Oral History“. Revelli hat Zeitzeugen gesammelt und ist dadurch auf einen deutschen Offizier gestoßen, der wohl nicht den bösen Nazi verkörperte, sondern Partisanen geholfen hat. Nuto Ravelli, ehemals selbst Partisanenkämpfer im 2. Weltkrieg gegen die Deutschen, beschreibt seine Spurensuche, und wie sein Bild zu den Deutschen, was ursprünglich nur aus Ablehnung und Verachtung bestand, eine neue Perspektive gewann.

Frau Hausmann, wie strukturieren Sie Ihre Übersetzungen?

In manche Texte gehe ich erst mal so rein.

Das heißt, Sie lesen die Texte erst mal so durch?
Nein, das tue ich nicht. Zuerst möchte ich merken, ob mich der Text packt und ob sich eine Spannung aufbaut. Bei Sachbuchtexten ist es allerdings ganz anders. Da gucke ich mir den Text an, versuche die Struktur zu verstehen. Je nach Thematik mache ich mich kundig und recherchiere dazu. Dann geht es ran ans Arbeiten.
Sie lachen? Bei Übersetzungen sind Abgabetermine oft sehr knapp gehalten, da kann man nicht in den letzen Tagen anfangen zu übersetzen.

Machen Sie auch Recherchen?

Historische Texte erfordern ganz viel Recherchen. Bei meiner Übersetzung von Gian Enrico Rusconis Buch über „Carvour und Bismarck“ musste ich alle Original Bismarck-Zitate im Deutschen raussuchen. Zitate kann man nicht rückübersetzen. Je nach Genre gibt es bei den Übersetzerkollegen erfreulicherweise Ansprechpartner. In unserem Münchner Übersetzerkreis hat jeder Übersetzer so einen Schwerpunkt, ob es Theologie ist, Wissenschaft, oder der eine sich gut in einer Region auskennt.

Klasse, das ist ja nicht nur tröstlich, sondern sehr hilfreich.
Ja, das ist es, und die Übersetzerarbeit, die ja eine einsame Arbeit ist, wird dadurch sehr kommunikativ.

Sie sind Italien-Expertin und schreiben für Zeitungen und Rundfunkbeiträge.

Das Buch von Carlo Feltrinelli „Senior Service, das Leben meines Vaters“ ist die Biographie über den Italiener Giangiacomo Feltrinelli, dem ersten Verleger von Boris Pastanak’s Dr. Schiwago. Feltrinelli hatte eine linke Vergangenheit mit tödlichem Ende. Sie selbst haben auch eine bewegte Zeit hinter sich, hat dies das Übersetzen von Feltrinelli’s Leben für Sie leichter gemacht?
Nicht leichter, aber durch meine eigene politische Geschichte ist das Leben von Feltrinelli für mich interessant. Die 60/70iger haben mich sehr geprägt, und dadurch habe ich auch einen Zugang zu dieser Zeit. Für die Übersetzerarbeit ist es immer nützlich zum Autor eine Affinität zu haben.

Soweit die Autoren leben, haben Sie Kontakt mit Ihnen?

Das ist ganz unterschiedlich. Manche Autoren wollen das nicht, bei manchen ist es nicht möglich, da besteht der Kontakt über den Verlag. Aber einige Autoren mögen Kontakt und man kann miteinander korrespondieren, oder sich auch treffen.

Sie arbeiten und übersetzen oft zu zweit. Stört eine Zusammenarbeit nicht das Arbeiten, oder wie funktioniert da das Übersetzen?
Für mich ist es eine der schönsten Arten zu übersetzen. Bei Sachbüchern geht das sehr gut. Der Prozess des Übersetzens wird dadurch lebendiger. Natürlich sollte die Chemie zueinander stimmen. Ich habe das Glück, einige Kolleginnen zu haben, wo die Zusammenarbeit sehr gut funktioniert. Dadurch wird die Arbeit zwar nicht weniger, denn wir vermitteln uns gegenseitig den Text, aber Fehler können viel schneller entdeckt werden.

Frau Hausmann, was ist das für ein Gefühl, wenn Sie Texte über die Mafia übersetzen, deren Autor wie Roberto Saviano bedroht wird und sich verstecken muss. Fühlen Sie sich trotzdem in Sicherheit?

In Sicherheit schon, doch die Texte gehen mir nach. Einmal traf ich Robert Saviano im Hanser Verlag. Das war eine gespenstige Situation und ich fühlte mich sehr unwohl. Bodygards standen unauffällig auffällig in den Fluren und noch unauffälliger standen Autos vor dem Verlagsgebäude, sodass man wusste, was das bedeuten sollte.

Sind Lesungen für Sie inspirierend, um weiter zu schreiben?
Übersetzer sind im allgemeinen zurückhaltende Menschen. Ich mag Lesungen und freue mich, wenn ich dazu eingeladen werde. Jetzt im März gibt es eine Lesung in der Buchhandlung Literatur Moths ( 12.03.2015) mit meiner „Herrscherin im Paradies“

Wir Leser und Leserinnen und Benutzer der Stadtbibliotheken sind immer happy, wenn Bücher übersetzt werden. Wer sucht für Sie die Bücher zum Übersetzen aus?
In der Regel suchen die Verlage die zu übersetzenden Bücher aus, haben sie meist schon gekauft, und deshalb muss es oft schnell gehen mit der Übersetzung. Da ich schon lange „im Geschäft“ bin, kenne ich viele Lektoren und Lektorinnen persönlich. Diese sind dann oft dankbar über Hinweise.

Gab es oder gibt es literarische Highlights für Sie, die Sie übersetzt haben oder übersetzen möchten?

Frau Hausmann schmunzelt. Ich habe gerade ein winziges Büchlein übersetzt, das war wirklich ein Highlight für mich. Das Buch von Ernesto Ferrero „ Die Geschichte von Qurina, dem Maulwurf und einem Garten in den Bergen“ erscheint im Kunstmann Verlag. Das ist eine einfache Geschichte, eine Fabel, scheinbar ganz unprätentiös, aber mit viel philosophischem und kulturellem Hintergrund. So was macht mir richtige Freude zu übersetzen.

München ist eine Stadt, die in allen Stadtteilen Stadtbibliotheken hat, nutzen Sie diese?

Ja, auf jeden Fall. Die Bibliothek hier in der Maxvorstadt ist etwas klein, aber ich nutze sie sehr. Das ich dort auch noch alte interessante DVD Filme finde, machen die Besuche in der Bibliothek reizvoll.

Frau Hausmann, schreiben Sie an einem neuen Buch?

Noch nicht. Mit dem Buch über die Königin Maria Carolina hat sich ein Thema über Lady Hamilton, welche auch in Nepal ein Aktionsfeld hatte, entwickelt. Dieses Jahr ist der 200 Todestag von Lady Emma Hamilton.

Frau Hausmann,
Wir Leser finden es toll, das Sie auch Bücher übersetzen, die leider erschütternd sind und von Problemen handeln. Ihre eigenen Bücher bieten dagegen eine aufgeklärte Weltsicht. Wir danken für das Gespräch.



© Steffi.M.Black 2015 (Text u.Bild)