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Gespräche



 04.02.2020 - Das Gespräch mit der Krimi-Autorin Inga Persson 



Dr. Inga Persson

Inga Persson ist promovierte Germanistin und Wirtin der Schatzbergalm in Dießen am Ammersee. Im Emons Verlag sind in der Reihe Oberbayern Krimi von ihr die Titel „Tod am Ammersee“ und „Rache am Ammersee“ erschienen.

Frau Persson, saugut haben Sie in Ihren Kriminalromanen bayerischen Charme und norddeutschen Flair zusammengebracht. Die sind pfundig um es auf boarisch auszudrücken und der bayerische Grant kommt auch nicht zu kurz. Was war der Anlass "Tod am Ammersee" zu schreiben?
Der Anlass war die Geschichte, die mein Mann erzählt hat. Mein Mann ist Zimmerer und bei einer Überprüfung eines Dachstuhls fand er unter den Ziegeln eine in Öltuch eingeschlagene Waffe.

Das ist ja eine Überraschung.
Offensichtlich war diese Waffe über die Jahre vergessen worden, aber man fragt sich doch, wie kommt die Waffe dahin? Warum versteckt sie jemand im Dach, was hat er damit getan, und daraus entspann sich für mich die Idee, etwas über die Waffe zu schreiben.

Kurz für unsere Leser: Carola wohnt in Berlin und ist Büroleiterin, sie wird von Ihrem Chef, und der ist ein Bayer wie er im Buche steht, dazu Bundestagabgeordneter in Berlin, nach Bayern geschickt und soll vor Ort sein Wahlbüro leiten. Sie ahnt nicht, dass Kunstraub und Hehlerei im Spiel sind und sie ins Fadenkreuz eines Mörders gerät.

Sie setzen die zwei unterschiedlichen Pole in Szene, dass einem oft das Herz schmunzelt. Warum haben Sie diese Charaktere ausgesucht, sind Sie persönlich daran beteiligt?
Jein, der Hintergrund ist der, dass ich aus Norddeutschland komme und auch lange für einen Bundestagsabgeordneten gearbeitet habe, die Carola ist eine Synthese aus Mitarbeiterinnen, die ich dort kennengelernt habe.

Ihre Seitenhiebe sitzen, und wenn dann der Tagtraum leise Plöpp macht und zerplatzt (aus „Rache am Ammersee"), tut einem der Kommissar Lenz leid. Es geht in Ihren Krimis auch um Volksbefragungen über Neubauprojekte, und dann sind da zwei Tote im Ammersee, und die Frage geistert ‘rum, war es Mord oder doch nur ein Unfall? Gab es Empörung oder gar einen Shitstorm, dass Sie Bayern mit der Mafia in Verbindung brachten?
Ich weiß, dass ich mir damit keine Freunde mache, aber das Schöne ist ja, und das genieße ich sehr am Schreiben, dass ich Dinge schreiben kann, die ich vielleicht nicht sagen würde.

Zu Ihnen kommen doch bestimmt auch Einheimische in die Gastwirtschaft?
Ja, und die erkennen sich in den Figuren, auch teilweise in den Geschichten.

Drohen die dann: Inga, nächstes Mal lässt Du mich aber besser wegkommen!

Frau Persson lacht herzlich darüber. So viele Figuren gibt es nicht unbedingt, die ich aus dem Alltag nehme, meistens sind es Synthesen, die Örtlichkeiten gibt es zum Teil schon eher. Was ich schreibe, sind tatsächliche Ereignisse, die passiert sind. Es passiert so viel, dass ich mir überhaupt nichts ausdenken muss.

Also nur die Ohren und Augen aufhalten, nach dem Motto: Das Leben schreibt die besten Geschichten.

So ist es, ich muss mir wirklich wenig ausdenken, und es ist nur die Frage, wie man darauf schaut.

Ich war sehr erfreut, auch in "Die Rache am Ammersee" die Protagonistin Carola wieder zu treffen, und sie wohnt weiterhin auf dem Secklerhof. Ich hätte sie sehr vermisst. Kommissar Lenz ist auch nicht weit entfernt. Kommen die beide auch in Ihrem nächsten Krimi vor?
Ja, selbstverständlich.

Die Eifersuchtsnatter in "Rache am Ammersee" ist sehr poetisch, doch man sollte sich vor ihr hüten, und Ihre Beobachtung, Frau Persson, der Herrgott hat den Chinesen das Ying und das Yang gegeben und den Bayern das Mei, ist nah an der Wirklichkeit. Werden Sie darauf angesprochen?

Manche tun es. Ich stehe hier in der Küche und bin eine Autorin zum Anfassen. Da steckt zum Beispiel schon einer mal seinen Kopf zur Tür rein und schreit: des was du auf Seite 99 geschrieben hast, kannst fei net so schreiben, gell!

Sind Ihnen schon mal Szenen aufs Papier gerutscht, die Sie gestrichen haben, weil zu viel bayerische Folklore aufgetragen wurde?

In diesem Sinne nicht, obwohl ich das Gefühl habe, dass es fast verwerflich ist, seine Heimat zu mögen, auch als „Zurgereiste“. Ich sehe das aus einer Distanz, trotzdem lebe ich hier sehr gerne.

Und ist die bayerische Einstellung wos geht mi des o für Sie fühlbar geworden?

Ja, das ist eine Haltung, die habe ich tatsächlich nur hier kennen gelernt. Es gibt da eine Form von katholischer Sinnlichkeit, die auf der einen Seite sehr schön ist, die neigt ein bisschen dazu, über die Stränge zu schlagen, und das geht uns Norddeutschen so’n bisschen ab. Wir sind sicher schmallippiger und nicht so sinnesfroh, die Bayern sind lustfreudiger.

Frau Persson, das Schreiben fällt Ihnen nicht schwer, kommen dabei auch Gedanken, was wäre, würde man selbst in Kriminalfälle verwickelt werden?
Ich mache mir keine großen Gedanken, Opfer eines Verbrechens zu werden. Ich habe durch die Tätigkeit als Wirtin Kontakt zur Feuerwehr, zur Bergwacht, auch zur Polizei oder auch zu anderen Intuitionen. Man bekommt da einiges mit, und es öffnen sich oft neue Fenster, und man schaut in einen Raum hinein, den man vorher nicht kannte.

Ihr Leben hat Sie an viele Stationen geführt, aber wann hatten Sie die Idee, Kriminalromane zu schreiben?

In der Tat, als ich hier angefangen habe, als Gastwirtin zu arbeiten, weil man hier mit Geschichten überhäuft wird. Und das Geschichten Erzählen ist sehr schön.

Wie bekommen Sie die Geschichten mit? Sie stehen hinter dem Tresen und die Leute erzählen es Ihnen, oder setzen Sie sich zu ihnen an den Tisch?

Sowohl als auch. Und es kommen auch Leute auf mich zu und sagen: ich hab‘ eine Geschichte für Dich.

Sie sind Wirtin der Schatzbergalm und haben viel zu tun. Wie organisieren Sie Ihr Schreiben?
Indem ich es mir zur Gewohnheit gemacht habe. Ich habe mir einen Schreibtisch-Platz unten in Dießen im Denkerhaus gemietet.

Sie arbeiten nicht zu Hause?
Nein, das haut nicht hin, denn da gibt es immer wieder was, was ablenkt und dann ist man ganz schnell aus dem Gedanken ‘raus. Ich nehme mir drei Stunden am Tag vor zu schreiben und fahre nach Dießen ins Denkerhaus.

Sie danken in einem Nachwort dem Denkerhaus in Dießen. Was ist das für ein Haus?

Aus der ehemaligen Polizeidienststelle in Dießen ist ein Gemeinschaftshaus entstanden und wird von einem Verein betrieben. Es ist eine Initiative, um das vernetzte Arbeiten für viele Lebensbereiche zu ermöglichen. Für mich ist es die Möglichkeit, dass ich von zuhause weg an einem Schreibtisch sitze und in einer professionellen Umgebung arbeiten kann.

Wie wäre das, wenn Politiker auf der Schatzbergalm Ferien machen und feststellen, wie schön das bayerische Landleben ist?

Solange jeder versteht, dass wir ein bayerisches Landgasthaus ohne Hubschrauberlandeplatz sind und für Bodyguards keine Parkplätze haben, sind alle willkommen.

Wie schmeckt grüne Seife?
Schlecht, und sie riecht eigenartig.

Ihre Krimis sind spannend und mit viel Lokalkolorit gespickt, da wo sich die preußische Gewandlaus mit dem boarischem Ungetüm kabbelt. Machte Ihnen der bayerische Dialekt Probleme ihn zu verstehen?
Verstehen nicht, es ist nur die ewige Auseinandersetzung über die Verschriftlichung. Man kann sich stundenlang darüber unterhalten, ob das eine Wort nun richtig geschrieben ist oder nicht. Ich bin dazu übergegangen, es leicht und lautmalerisch anklingen zu lassen.

Frau Persson, Sie fühlen sich in Bayern wohl, warum?

Oh ja. Als Norddeutsche gefällt mir das lässige und das - wir hocken nebeneinander auf der Bierbank und alleine trinken macht hässlich, Frau Nachbarin - gefällt mir sehr. Das finde ich großartig.

Sind Sie ehrenamtlich engagiert?
Ja und nein, immer wieder mal. Wie sich Situationen ergeben, und was so im Dorf anfällt.

Sie haben in einer Agentur gearbeitet und für Bundestagsabgeordnete geschrieben.
Erzählen Sie, was haben Sie an Kuriosem erlebt?

Ja, wo soll ich da anfangen? Das ist eine unendliche Geschichte. Im Bundestag hat man schon mit kuriose Leuten zu tun. Einige hatten damals Briefe geschrieben, heute wären es sicher Emails, die einem die Welt erklären und einem sagen, was man zu tun hat, damit alles gut wird. Der Klassiker war, dass ein liebenswürdiger Mensch zusammengefaltete Blätter mit Noten und Texten verschickte, in denen man aufgefordert wurde, vor jeder Ausschusssitzung zusammen ein Lied zu singen.

Welche Botschaft steckt in Ihren Kriminalromanen?

Wenn Sie eine Botschaft wollen, dann sicher, dass sich ein zweiter Blick lohnt. Auch bei Krimi-Themen. Ich muss in meinen Augen keine Verbrechen, die etwa bei der Bundebank oder bei der Mafia angesiedelt sind, erfinden, es muss auch nicht literweise Blut fließen. Wenn ich tatsächlich hinschaue, kann ich politische Geschichten auf der Gemeindeebene erzählen. Die sind für mich ein Spiegelbild für das große Ganze. Das was man im Bundestag im Großen verhandelt, wird in den Dörfern gelebt und umgesetzt.

Trotz Ihres schönen Satzes Die Realität überholt unsere Selbstwahrnehmung wünsche ich mir weitere Folgen vom Leben am Ammersee. Eine Frage, kommen der Kommissar Lenz und Carola eigentlich zusammen?

Das sag‘ ich jetzt nicht, die Antwort wäre ein Spoiler.

Meldet sich der Verlag bei Ihnen und bittet Sie, einen weiteren Krimi zu schreiben?
Ja, das macht er, und im März 2020 kommt mein dritter Krimi mit dem Titel "Nacht über dem Ammersee" ‘raus, da geht es um Geothermie, radikale Umweltschützer, und um den Bau einer Geothermie-Anlage.

Frau Persson, die Spannung steigt. Wir freuen uns auf Ihr nächstes Buch.
Vielen Dank für das Gespräch.


©Steffi.M.Black 2020 (Text)
©Sabine Jakobs(Bild)